Psychotraumatologie
Was ist ein Trauma?
Das Wort stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet Verletzung. Die indogermanische Wurzel -ter oder -tr (wie im „drehen“) bezeichnet die Wirkung einer bohrenden, reibenden Drehbewegung.
Die ersten Traumatologen waren Barbiere, die auf dem Schlachtfeld die Wunden versorgten. Erst gegen Ende des Mittelalters wurden sie nach und nach von den Chirurgen abgelöst. Kriege und ihre Folgen waren schon damals die Hauptursache für Verletzungen, Wunden und Narben.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erkannten amerikanische Ärzte, dass Kriegserlebnisse starke Auswirkungen auf die Psyche der Soldaten haben können. „Soldier’s heart“ oder „Battle fatigue“ hiessen diese psychosomatischen Beschwerden. Lange Zeit versuchten Ärzte und Therapeuten, das Phänomen herunterzuspielen. Noch 1968, zu Zeiten des Vietnamkriegs, hielt die American Psychiatric Association das Problem der Kriegstraumata für so unbedeutend, dass es in der damaligen Ausgabe des offiziellen Diagnosehandbuchs nicht einmal erwähnt wurde. Kaum war der Krieg vorbei, stürmten ehemalige Soldaten, die während ihres Dienstes in Vietnam schwere Störungen entwickelt hatten, die Veteranenkrankenhäuser. Fast eine Million junger Männer und Frauen litten an PTSD (Posttraumatic Stress Disorder). Zwanzig Jahre später waren immer noch 50 Prozent davon betroffen: Alpträume, Flashbacks, Gewalttätigkeit, Panikattacken, Drogen- oder Alkoholsucht wurden am häufigsten beschrieben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden zahlreiche Studien zur Beschreibung des „KZ-Syndroms“. Zum ersten Mal wurden die verheerenden Folgen von Krieg, Gefangenschaft und schliesslich Völkermord für die überlebende Zivilbevölkerung untersucht. Auch hier wurden neben anhaltenden Persönlichkeitsveränderungen die gleichen PTBS-Symptome beobachtet.
Die Tatsache, dass ein Großteil der Wissenschaftler, die diese Arbeiten unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vorantrieben, selbst den Überlebenskampf an der Front oder im Konzentrationslager erlebt hatten, ermöglichte eine neue Haltung in der Forschung.
Erst in den 70er Jahren wurden weitere Gruppen berücksichtigt: Frauen und Kinder, die Opfer von Vergewaltigung und Missbrauch geworden waren. Auch Opfer von Unfällen und Bränden wurden untersucht. Amerikanische Psychiater beobachteten die Ähnlichkeiten zwischen all diesen schrecklichen Schicksalen. Nach viel Vorarbeit wurde die PTBS 1980 offiziell als Diagnose eingeführt (DMS III). Damit wurden die Psychotraumatologie als Wissenschaft und die Opfer von Gewalt als leidende Menschen anerkannt.
Mit der erneuten Zunahme des internationalen Terrorismus, wie z. B. am 11.9.2001, und der immer besseren Berichterstattung über Katastrophen im Fernsehen, wird das Thema Gewalt und Trauma in der Medienlandschaft immer präsenter.