EMDR

Eyes Movements Desensitization and Reprocessing

Die EMDR Technik

EMDR steht für “Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ (Desensibilisierung und Neuprogrammierung durch Augenbewegungen).

Diese Methode hat bereits Tausenden von Erwachsenen und Kindern geholfen, die unter den Folgen traumatischer Erlebnisse leiden. Die Therapie, die ursprünglich nur auf Augenbewegungen beruhte, wurde in den letzten 15 Jahren von Francine Shapiro weiterentwickelt. 1987 bemerkte die amerikanische Psychotherapeutin bei einem Spaziergang, wie belastende Gedanken durch schnell wiederholte Augenbewegungen verschwanden. Später stellte sie fest, dass andere Signale wie Töne oder blinkende Lichter, wenn sie abwechselnd von links und rechts kommen, den gleichen Effekt haben. Dennoch behielt die Methode ihren Namen. Durch diese Reize werden Bilder, Erinnerungen, Gefühle erst verstärkt (Trigger) und dann entschärft (Desensibilisierung).

Sicherheit und Professionalität

Was auf den ersten Blick wie ein einfacher Trick mit den Augen aussieht, entpuppt sich dank der Arbeit von Frau Shapiro als ein sehr wirksames und anspruchsvolles Therapiemodell. Trotz ihrer Einfachheit ist diese Methode so nachhaltig wirksam, dass sie nur in erfahrene Hände gehört. Der Therapeut muss einschätzen können, ob diese Methode für den Patienten geeignet ist. Er muss ihn sicher durch den Prozess begleiten und unterstützen können. Gerade im Bereich der Traumatherapie gibt es wohlmeinende Helfer (vom Hausarzt bis zur Astrologin), die in der Aufdeckung von Erinnerungen die beste Methode sehen, ihre Klienten von der Vergangenheit zu befreien. Die Erfahrung zeigt aber immer wieder, dass eine solche unvorbereitete Konfrontation viel mehr schaden als helfen kann. Eine Re-Traumatisierung findet statt.

Um die gewünschte Professionalität zu gewährleisten, werden nur Fachleute (ÄrztInnen oder PsychologInnen) mit anerkannter psychotherapeutischer Erfahrung zur EMDR Ausbildung zugelassen. Nach Abschluss des EMDR-Trainings erhalten die TherapeutInnen ein von Frau Shapiro persönlich unterzeichnetes Zertifikat, das sie offiziell als EMDR-TherapeutIn ausweist (siehe Liste). EMDR™ ist eine eingetragene Marke.

Ablauf einer EMDR-Behandlung

Die EMDR-Behandlung folgt einem 8-Phasen-Modell, das ich hier kurz und relativ frei beschreiben möchte. Natürlich sollte man die Bücher von Shapiro zu Rate ziehen, um die richtige Technik zu erlernen. Warnung: Es ist natürlich dringend davon abzuraten, diese Technik ohne eine zertifizierte EMDR-Ausbildung auszuprobieren. Die Folgen könnten gefährlich sein. Es kann nicht genug betont werden, dass dieses Schema sehr individuell angewendet werden muss.

  1. Anamnese. Der Therapeut erkundigt sich zunächst nach der Vorgeschichte des Patienten: frühere Traumata, depressive oder psychotische Episoden, aktuelle Beziehungsprobleme etc. Der Therapeut muss einschätzen können, ob der Patient stabil genug ist, um die emotionale Belastung einer solchen Therapie zu ertragen. Das Gespräch muss sachlich und behutsam geführt werden, um nicht unbedacht alte Wunden wieder aufzureissen. Eine zu detaillierte Schilderung kann den Patienten unnötig aufwühlen. Eventuell kann eine Aufstellung der verschiedenen Lebenstraumata („Landkarte“) vorbereitet werden. Anschliessend wird die Behandlung besprochen: Ziele werden festgelegt und ein Behandlungsplan erstellt.

  2. Vorbereitung. Dies ist oft die wichtigste Phase der gesamten Behandlung. Nach der Bestandsaufnahme muss der Therapeut den Patienten stärken und stabilisieren. Dazu sind oft mehrere Sitzungen notwendig, um ein Klima des Vertrauens aufzubauen. Zunächst geht es darum, Vertrauen zum Therapeuten aufzubauen und die Methode zu akzeptieren. Dann wird oft ein „sicherer Ort“ geschaffen: Durch verschiedene Imaginationsübungen findet der Patient in sich Bilder, die ihn beruhigen, trösten und schützen können. Es wird auch nach Ressourcen gesucht (Hobbys, Begabungen, gute Erinnerungen, liebevolle Beziehungen, ...), die ihn auf dieser therapeutischen Reise begleiten.

  3. Auswertung. Die Szene wird ausgewertet. Wie war sie? Was wurde gesehen? Ein Bild wird ausgewählt (z. B. Zusammenstoss mit einem anderen Auto).

    • Was haben Sie gedacht? Eine negative Kognition, d. h. eine Aussage in der Ich-Form und im Präsens wird definiert: z. B. „Ich bin in Gefahr“, „Ich bin ein Idiot (so schnell gefahren zu sein)“, usw. ....

    • Was möchten Sie (in dieser Situation) über sich selbst denken (positive Kognition)?

    • Wie und wo fühlen Sie sich (z. B. Freude in der Brust, Leichtigkeit in den Beinen)?

    • Und wie (von 1 bis 7) trifft diese positive Aussage auf Sie zu (VOC)?

    • Zurück zur negativen Kognition, welche Emotion fühlen Sie dabei (z. B. Scham, Traurigkeit, Wut, …)? Und wie stark – auf einer Skala von 0 bis 10 - ist sie?

    • Und wo im Körper spüren sie es? (Traurigkeit oft in der Brust, Wut im Bauch, Lähmung in den Beinen).

  4. Desensibilisierung. Während der Patient das Bild, die negative Kognition, die Emotion und das Körpergefühl so gut wie möglich aufrechterhält, folgt er den Fingern des Therapeuten. Diese führen schnelle horizontale Bewegungen aus, etwa 1 Meter vom Gesicht des Patienten entfernt (die Entfernung muss vorher getestet werden). Nach ca. 20 bis 50 Hin- und Herbewegungen hält der Therapeut an. Der Patient wird kurz befragt oder äussert sich spontan: z. B. neue Bilder sind entstanden, die Anspannung hat nachgelassen, die Szene hat eine neue Bedeutung bekommen.

  5. Verankerung. Wenn die Belastung auf ein Minimum gesunken ist (SUD 0 bis 1), verankert der Therapeut die positive Kognition. Der Patient nimmt die positive Kognition (den Satz, die Emotion, das Körpergefühl) wieder wahr. Einige langsame Augenbewegungen genügen. Die Bewegungen werden wiederholt, bis der optimale Wert (VOC 7) erreicht ist.

  6. Körpertest. Der Patient wird nach Restspannungen im Körper befragt.

  7. Abschluss. Der Patient sollte den Behandlungsraum nie in einem stark erregten Zustand oder mitten in einer emotionalen Reaktion verlassen. Verschiedene Techniken können bei Bedarf eine schnelle Stabilisierung herbeiführen. Ein kurzes Debriefing (Fragen, Instruktionen, …) gibt Sicherheit.

  8. Überprüfung. In der nächsten Sitzung wird das Körpergefühl in Bezug auf die bearbeitete Situation getestet.

Dauer einer Sitzung

Eine Standardsitzung dauert in der Regel 60’-90′ (Shapiro, EMDR p.208). In der Praxis kann es erhebliche Abweichungen geben (kürzer oder länger, je nach Situation). Ich persönlich finde einen Rhythmus von einer Sitzung alle 2 Wochen optimal. Wenn die Belastung zu groß ist, können auch Zwischensitzungen stattfinden. Die Gesamtdauer der Behandlung variiert je nach Belastungsgrad und Ressourcen des Hinterbliebenen. Shapiro berichtet von erfolgreichen Behandlungen mit nur einer Sitzung, bei Monotrauma ist es jedoch besser, mindestens 5 Sitzungen einzuplanen.

Andere Techniken

Meist reicht die EMDR-Technik allein nicht aus. Wie bereits erwähnt, werden in der Vorbereitungsphase oft verschiedene Imaginationsübungen (Redemann) zur Stabilisierung des Patienten eingeführt: „Der Tresor“, „Der geheime Garten“, „Die Helfer“, die ich teilweise modifiziert habe, sind meine Favoriten. Auch Märchen, Anekdoten und Metaphern sind eine gute Hilfe: die Arbeit von Milton Erickson ist hier eine große Inspiration. Die Technik des NLP ist besonders hilfreich, wenn der Patient im Sumpf der negativen Kognitionen zu verschwinden droht.

Eine einfache Atemübung, wie sie Frau Perren-Klingler in ihrem Debriefing-Kurs lehrt, wirkt sehr stabilisierend auf unruhige Patienten. Schliesslich kann eine kurze Massage nach Furter in wenigen Minuten hartnäckige Muskelverspannungen lösen.